Heute teste ich den Fussheber auf einer mir von früher bekannten Strecke vom Bahnhof Locarno bis zur Bergstation der Luftseilbahn nach Gardada. Sie umfasst gut 1’100 Höhenmeter und ist vor allem bis Via Eco und dann auch beim Aufstieg durch den Weiler mit unendlich langen Treppenstufen (ich habe früher einmal über 1’500 gezählt) geprägt. Ein mit Steinplatten belegter Weg schraubt sich in unzähligen Kehren von Via Eco nach San Bernardo. Ab dort schliesst sich ein Bergweg über Wurzelwerk und Steinbrocken sowie einigen hohen Tritten an. Bisher bin ich mit flachen Lowa-Wanderschuhen nie einen solchen ruppigen Weg aufgestiegen, aber es geht dank dem jahrelangen Fussknöchel-Training gut. Mit der Tremola komme ich jetzt auf 2’900 Höhenmeter innert einer Woche – und das obwohl mir die Hausärztin wegen des Vorfalls am rechten Fuss einen Schub diagnostiziert hat.
Ich muss den Fussheber in den beiden Pausen auf Via Eco und San Bernardo ausziehen und die schmerzenden Zehen spreizen und lockern. Dazwischen muss ich manchmal kurz zum Zehen lockern halten. Ich bin froh, den Fussheber im Bus von Orselina nach Locarno ausziehen zu können. Die Anforderungen sind strenger gewesen als an der Tremola. Es geht in die richtige Richtung.
«Ein Mal ist kein Mal», besagt ein Spruch. Weil der Marsch am letzten Mittwoch der Tremola entlang auf den Gotthardpass auf meine Gesundheit und den betroffenen Fuss eine so gute Wirkung gezeigt hat, bin ich heute Sonntag gleich noch einmal die Tremola hinauf gestiegen. Der Fussheber hat weniger gedrückt, ich bin schneller gelaufen und gut eine Stunde früher angekommen als letzten Mittwoch. Ich habe die an diesem Tag regen-freie Zone um den Gotthard herum gut genutzt. Es ist noch weniger Betrieb auf der Tremola gewesen als am Mittwoch. Der Wind hat die Luft aufgeklart, so dass ich endlich eine klare Sicht auf die Leventina erhalten habe.
Um mich fit zu halten und den Fussheber noch ausführlicher zu testen, steige ich heute von Airolo aus die alte Tremola entlang auf den Gotthardpass hinauf. Die alte Tremola ist an einem Werktag eine verkehrsarme Strasse mit ruhigem Freizeitverkehr. Dies ist eine feine Gelegenheit, das Rhein- mit dem Ticino-System zu verknüpfen. Mein Flüsse- und Pässe-Fussweg-Netz reicht jetzt von zu Hause in Zürich bis nach Locarno und via Maggia den Lago di Nàret am Fusse des Cristallina, via die anderen Ticino-Nebenflüsse Moësa und Brenno bis auf den San Bernardino und Lukmanier.
Die Tremola ist 13 Kilometer lang und die Höhendifferenz zum Gotthard beträgt rund 900 Meter. Druckstellen sind heute wieder verstärkt zu spüren.
Mit der Wanderung von Zernez nach Chinuos-chel auf dem kombinierten Rad- und Wanderweg auf der Südseite des Inns schliesse ich die letzte bedeutende Lücke im Inn-Projekt. Damit kenne ich den Inn im Inland praktisch auf der ganzen Länge mit Ausnahme der Strecke von Maloja zum Lunghinsee.
Der Fussheber ist heute übrigens angenehmer zu tragen gewesen.
Auf meinem Weg von Susch nach Zernez, dem Zentrum des Nationalparks, habe ich einen Blick auf den Piz Linard erheischen können. Er ist der König der Unterengadiner Berge.
Fuss auf nach Scuol stimmt und ist kein Tippfehler. Die MS manifestiert sich bei mir am stärksten im rechten Fuss, auch in der rechten Hand. Seit vielen Jahren tendiert der rechte Fuss mal mehr, mal weniger zum Schlurfen. Letztes Wochenende ist es so schlimm geworden, dass Handlungsbedarf entstanden ist. Gut, hat die Therapeutin die Frage eines Fusshebers vor wenigen Tagen mit mit thematisiert. Ich habe sie dienstags nochmals konsultiert und von ihr den Tipp zum nahe gelegenen Ortho-Team erhalten. Gesagt, getan, bin ich sogleich hingegangen, habe ein entsprechendes Fussheberband Sporlastic gekauft und es am Tag darauf an der einfachen Flachstrecke dem Inn entlang von Martina nach Scuol gründlich getestet und dabei die Kinderkrankheiten des Neuen und Ungewohnten mit einer dicken Blase, Druckstellen, Krampferscheinungen erfahren. Ich muss schliesslich die Grenzen der Möglichkeiten der Technologie kennen. Das Leben ist zu schön, um zu Hause zu sitzen und das Leid zu beklagen. Wer MS hat, muss raus aus dem Haus und laufen, laufen, laufen…
Die nicht geplante Programm-Umstellung bietet mir die Gelegenheit, die Strecken in mein Inn-Projekt einzufügen, die ich mangels sicheren Winterwanderwegen nicht im Winter 2015 begehen konnte. Natürlich stimmt auch: Fluss auf.
Ich schliesse die Seez mit einer gemütlichen Sonntagswanderung ins Quellgebiet neben dem Foowäldchen ob Untersäss ab. In diesem Gebiet fliessen die verschiedenen Quellbäche wie Foobach, Prägelbach, zu denen auch der Mattbach sowie Siezbach gezählt werden dürfen zusammen. Der noch wilde Bergbach wird bereits früh mit einer Wasserfassung gebändigt.
Mit der Ueberschreitung des Albula-Passes und der Ankunft am Inn-Ufer in La Punt – Chamues.ch habe ich mit meinen Füssen das Rhein- und das Inn-Fluss-System verknüpft. Damit darf ich sagen, dass meine Fuss-Spuren von zu Hause aus über das Schweizer Fluss-System Inn-aufwärts ununterbrochen bis St. Moritz und den Maloja reichen und Inn-abwärts bis nach Breil reichen. Zu Fuss bin ich unzählige Mal von zu Hause an die Limmat und nach Baden gelaufen, so dass meine Fluss-Routen auf diese Weise in entfernte Winkel des Landes nachweisbar sind. Ich habe am Inn noch die Verbindungsstücke nachzuholen, die ich nicht auf den bestehenden Winterwanderwegen durch das Engadin laufen konnte. Siehe auch das Inn-Logbuch: http://www.fluss-frau.ch/inn.html
Mit dem Erreichen von Igls Plans, dem Quellgebiet der Albula unterhalb des Albula-Passes, habe ich den Fluss Nummer 40 absolviert. Dies ist ein guter Grund, ein kleines Jubiläum zu feiern. Die Albula hat als «Jubiläums-Fluss» einige fordernde Etappen an mich gestellt. Ich habe selber Freude am besonders schönen Logbuch mit wunderbaren Bildern über die prächtige Albula-Landschaft.
Die Albula-Linie lässt die Herzen der Eisenbahnfans höher schlagen. Bevor ich in die spektakuläre Arena der Kehrtunnels unterhalb von Preda treten kann, wird neben dem Kreislauf auch meine Motorik nochmals voll gefordert. Der Bergweg steigt steil durch ein teils ausgesetztes und gesichertes felsiges Gebiet, bevor der erste Kehrtunnel in Sicht kommt. Etwas weiter oben am Albula-Ufer höre ich die Eisenbahn rasseln. Ich mache meine Kamera schussbereit. Ich erblicke den Güterzug in einer Galerie links oben und denke, die Bahn komme von links über den Viadukt. Als sie nach einiger Wartezeit auftaucht, braust sie unerwarteterweise von rechts über den Viadukt. Das ist der Effekt des Kehrtunnels.