Wer die Stille in der Bergwelt geniessen will, fährt im Winter am frühen Montagmorgen mit dem Urnerboden-Sprinter ab Linthal in den Urnerboden. Von dort führt ein gut angelegter Winterwanderweg auf acht Kilometern und gegen 700 Höhenmetern auf den Fisetenpass. Am Wochenende ist dieser Weg eine belebte Schlittelpiste. Montags knirscht der Schnee unter den Wanderschuhen, pfeifen die Vögel bis zur Waldgrenze, rumpeln Felsbrocken und Schneerutsche an den gegenüberliegenden Jegerstöcken – und sonst herrscht Ruhe. Unter dem Kreuz, das den Fisetenpass markiert, lädt eine besonnte Sitzbank zur Rast. Etwa zehn Gehminuten tiefer steht die Luftseilbahn für den Transport auf den Urnerboden bereit. Per Telefon in die Talstation muss die Fahrt ausgelöst werden, denn auch die Talfahrt ist eine einsame Sache.
Auch wenn die Wege entlang der Flüsse verschneit und gefroren sind, bleibe ich in Bewegung. Am Dreikönigstag bin ich auf den Monte Brè gestiegen. Rechts neben der Station der Monte-Brè-Bahn in Cassarate führt ein steiler Treppenweg hinauf, dem bis zur letzten Kurve des Strässchen zum Dorf Brè gefolgt werden kann. Ab dem Dorf Brè führt ein angenehmer Treppenweg zum Gipfel. So können Treppenstufen im Tausender-Pack absolviert und eine atemberaubende Sicht auf den Monte Rosa und die verschiedenen Arme des Luganersees genossen werden. Hinunter habe ich die Bahn genommen.
Nach Vollendung des Venoge-Projektes habe ich die Gelegenheit genutzt, die europäische Wasserscheide zwischen Rhone und Rhein ab La Sarraz zu überschreiten. Meine Route führt so am Weiher der Mühle von Bornu vorbei, von dem Wasser sowohl in die Nordsee wie auch in das Mittelmeer fliesst. Deshalb wird der Ort als Mittelpunkt der Welt bezeichnet.
Auf meinem Fussweg komme ich an den Resten eines historischen Bauprojekts vorbei und mit dem Erreichen der Mündung des Le Talent in der Orbe ist das Rhone-System an mein Fluss-Weg-System angeknüpft. Von mir zu Hause aus verläuft mein begangenes Wegnetz entlang der Gewässer bis nach Genf sowie auf den Furkapass.
Die Wasserscheide-Ueberschreitung ist im Venoge-Logbuch hinterlegt und bebildert:
Trockenes Hochdruckwetter hat zusammen mit dem Raureif in der Vorderrhein-Schlucht eine reizvolle Winterlandschaft geschaffen. So bin ich ohne Schneefall zu einer exklusiven Winterwanderung in meinem zweiten Abschnitt der Ruinaulta-Querung gekommen. Die Ruinaulta ist im Winter für eine genussvolle, stille Wanderung gut.
Insgeheim habe ich gehofft, einer der populären Calanda-Wölfe hätte die Schlucht ebenfalls erkundigt, so dass es zu einem zufälligen Treffen gekommen wäre. Realistischerweise wird sich ein Wolf diskret zurückziehen, sobald er das Klacken meiner Wanderstöcke hört.
Die Venoge entspringt in einem Tobel oberhalb von L’Isle aus sechs verschiedenen Quellen. Die wichtigsten Quellen sind Le Puits sowie Le Chaudron. Sie können in einem leichten Rundgang ab Bahnhof L’Isle erreicht werden.
Im Sommer 2014 wanderte ich auf der «Flimser Seite» entlang der berühmten Rheinschlucht. Die Felsen reflektierten das Licht zu stark, um gute Fotos zu erhalten. Seither habe ich eine winterliche Begehung der Ruinaulta geplant und am 18. Dezember 2016 von Reichenau bis Versam durchgeführt. Die Bedingungen sind ideal gewesen: trockene Wege, kalte Temperaturen und klare Sicht. Die Uferpartien auf dem Bild unten sind weiss vor Raureif. Die Ruinaulta bietet im Winter ein besonderes, stilles Erlebnis ohne den Rummel der Hochsaison.
Der reich bebilderte Bericht ist am Ende des Vorderrhein-Logbuches eingetragen worden.
An der Tine de Conflens stürzen die Flüsse La Venoge rechts sowie Le Veyron, hinten links ganz klein sichtbar, über ihre jeweiligen Kaskaden hinunter und vereinigen sich in einem Becken vor uns. Die Landschaft ist aufregend wie in einem Abenteuerfilm, zum Beispiel der Schatz am Silbersee. Die Durchschreitung der Schlucht ist der Höhepunkt der Etappe von La Sarraz nach L’Isle. Ich empfehle, mehrere trockene Tage zuvor abzuwarten, denn der Abstieg in die atemberaubende Arena ist steil und kann glitschig sein.
Ab heute ist mit Erreichen der Fadenbrücke unterhalb Buochs die Engelberger Aa mit meinem Flüsse-Fussweg-Netz verbunden. Ich kenne jetzt den Weg von mir zu Hause bis nach Engelberg sowie dem Surenenpass.
Uebrigens habe ich für die heutige Etappe von Hergiswil nach Buochs heisse Bouillon in Thermosflaschen mitgenommen. Meine Sporttherapeutin hat mir dies wegen meines Natriumdefizits empfohlen. Die warme Bouillon hat mir an diesem eher frostigen Tag gut getan.
In der Adventszeit finden zahlreiche gesellschaftliche Anlässe statt, so dass ich nicht immer hinaus in die Wildnis komme. Da ist das disziplinierte Training zu Hause noch wichtiger. Das liebe Hausbewohner-Paar im sechsten Stock hat seine Türe adventlich geschmückt. Nach meiner Heimkehr nach Anlässen habe ich noch meine neun Stockwerke bzw. 1’008 Treppenstufen absolviert. Manchmal gehe ich dazwischen alle neun Stockwerke mit jeweils zwei Treppenstufen aufs Mal hinauf. Das stärkt die Muskeln noch mehr und fordert den Gleichgewichtssinn zusätzlich. Immer wieder gehe ich mehrmals alle neun Stockwerke mit einem vier bis fast sieben Kilo schweren Rucksack hinauf. Dies kräftigt die Beckenmuskulatur enorm, ebenfalls die Motorik. Hinunter geht es mit dem Lift. Ein Treppenhaus in einem mehrstöckigen Gebäude ist auch ein Gym.
Die Engelberger Aa ist noch nicht mit meinem Flüsse-Fussweg-System verknüpft. Weil ich an der Venoge erst weiter mache, wenn es für den bevorstehenden glitschigen Pfad trocken ist, nutze ich das Föhnwetter, eine erste Etappe von Luzern mit dem Reussabfluss nach Hergiswil zu gehen.
Beim Wagner-Museum bei Tribschen frage ich mich, wie die häufigen, dramatischen Wetterlagen am Vierwaldstättersee mit seiner wuchtigen Bergwelt-Kulisse Richard Wagner beim Komponieren inspiriert haben. Da ertönt in meinem inneren Ohr bereits die Ouvertüre zu Wagners Fliegendem Holländer.