Das Verzasca-Projekt war unterbrochen, weil ich im Oktober 2017 die Zeh verstaucht habe. Es ist nicht sinnvoll, allein auf dem ohnehin einsamen, weiten Bergweg ins unbewirtete Rifugio Barone aufzusteigen, das in der Nähe der Quelle liegt. Ich habe mich so weit wie möglich, dem Quellgebiet angenähert, um danach wieder nach Sonogno abzusteigen.
Bei kaum einem Alpenfluss kann so leicht zugänglich beobachtet werden, wie er durch mehrere Gletscher und schäumende Gletscherbäche beliefert wird. Die Dranse selber hat ihre Haupt-Quelle im Otemmagletscher. Deshalb bin ich bis zur nahen Cabane de Chanrion aufgestiegen, um dieser faszinierenden Gletscherwelt näher zu kommen. Weil ich beim Eindunkeln den Weg zur Hütte verpasst habe, musste ich die Nacht auf fast 2’500 m.ü.M. draussen verbringen. Das kann im Logbuch nachgelesen werden.
Von der Wiese oberhalb des Dorfes Arth-Goldau sieht der Gipfel der Rigi zum Greifen nahe. Das täuscht. Es liegen noch etwa 1’200 Höhenmeter vor mir. Meine Route ist als T2 Wanderweg klassiert. Offizielle Wegzeit ab Bahnhof vier Stunden 10 Minuten, für mich natürlich wesentlich länger. Es ist das richtige, um meine Motorik zu fordern und meinen Körper zu ertüchtigen. Unterhalb des Gipfels besuche ich den Senn Franz-Tony Kennel und seine Alpwirtschaft. Er freut sich, dass ich immer noch hochsteigen kann. Am besten munden die mit seinem Alpkäse gemachten Käseschnitten bei ihm.
Zur Ertüchtigung habe ich die einfache Wanderung über den Kunkelspass von Tamins nach Vättis unternommen. Ich bin alles dem verkehrsarmen Strässchen entlang gelaufen, das nur im Bereich des Passes gekiest ist. Die Galerien des Tunnels vor dem Pass bieten einen atemberaubenden Blick auf urweltlich wirkende Felsköpfe.
Wer das selber unternehmen will: Tamins bis Vättis etwa viereinhalb Stunden Gehzeit. Wirtschaft auf der Passhöhe, aber auch in Oberkunkels. Die überwiegende Mehrheit fährt Rad.
Eine Episode: Beim Abstieg nach Vättis kreuze ich einen Mann, der mich spontan erkannt hat. Wir haben uns im Jahr zuvor auf der Alp Sardona unterhalten. Er sagt spontan: Ich bin der Sepp und wir grüssen uns. Er wird heute von seiner jungen Frau samt Baby im Kinderwagen begleitet. Er wohnt in Vättis. Er hat riesige Freude, dass ich noch zu Fuss unterwegs bin.
Um ein besseres Bild der nicht von einem Wanderweg erschlossenen Rabiusa-Quelle zu erhalten, bin ich nochmals zum Turrahus hochgefahren, dieses Mal aber auf dem Weg Richtung Safierberg entlang gegangen. Weiter als über die Brücke des Gletscherbaches bin ich nicht gekommen. Es hat gereicht, ein akzeptables Bild über das Quellgebiet zu erhalten. Dann hat sich das Wetter eingetrübt.
Auf dem Bild links ist die Tafel mit den historischen Wasserständen sichtbar. Einer der Hochwasserstände war 1987. Endlich bin ich dazugekommen, von Reichenau nach Trin zu wandern und die Tafel in Ruhe anzuschauen, an der ich im Zug rechts auf dem Bild unzählige Male vorbei gebraust bin. Von Trin aus bin ich nach Versam weitergelaufen. Es ist eine einfache, gemütliche Wanderung gewesen.
Die Quelle der Rabiusa ist auf normalem Wander- oder Bergweg nicht erreichbar. Ich habe versucht, mich ihr anzunähern, indem ich auf die Alp Piänetsch gestiegen bin, um wenigstens einen Blick auf das Bärenhorn zu erheischen, unter dem die Quelle liegt. Die aufkommende Gewitterstimmung hat mich am Weitergehen gehindert, um eventuell noch eine bessere Sicht zu erlangen. Vielleicht gibt es einen neuen Versuch der Annäherung.
Die Walser haben mit ihren Siedlungen in Streubauweise im Safiental eine reizvolle Kulturlandschaft gestaltet. Die heutige Wanderetappe ist eher eine Kultur-, denn Flusswanderung gewesen. Flüsse schaffen eben auch Kultur- und Lebensräume.
Wie wichtig das Gletscherwasser für die Versorgung der Flüsse und Seen mit Wasser und die Gewinnung von Strom aus Wasserkraft für unser Land ist, zeigt eine Wanderung entlang des Mauvoisin Stausees. Um und oberhalb des Stausees liegen die Gletscher, die das Herkunftsgebiet des Wassers der Dranse bilden. Was passiert, wenn die Gletscher eines Tages nicht mehr sind?
Nach langem Aufstieg komme ich mit dem letzten Tageslicht auf dem Grossen St. Bernhard an mit seinem weltberühmten Hospiz. Bergwelt wie Hospiz wirken im Abendlicht zauberhaft. Ich werde herzlich aufgenommen und nehme am Morgen danach mit der Bruderschaft und einigen Gästen am Morgengebet bei. Gott und der Himmel sind hier ganz nahe.